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Gegengelesen: Die Weisen aus dem Wirtschaftsland

(explizit.net) Gegengelesen-Kommentar

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Es gibt Fachleute, es gibt Kenner, es gibt kluge Leute und es gibt die Weisen. Wenn die etwas sagen, dann hören die angeblich klugen Leute darauf, denn so weise Menschen kennen sich ja aus, sind vom Fach und können außerdem die Zukunft aus der Glaskugel lesen. Doch jetzt wurden die fünf Weisen aus dem Wirtschaftsland überführt. Die 2,1 Millionen Euro, die sie pro Jahr kosten, könnte man auch für Lottospielen ausgeben, da wäre der Gewinn nach allen Wahrscheinlichkeitsrechnungen wohl höher. Die fünf Wirtschaftsweisen gibt es seit 1963 und seit 2001 haben diese Herren den Verlauf des Bruttoinlandsprodukts jedes Mal falsch vorhergesagt.

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Es gibt Fachleute, es gibt Kenner, es gibt kluge Leute und es gibt die Weisen. Wenn die etwas sagen, dann hören die angeblich klugen Leute darauf, denn so weise Menschen kennen sich ja aus, sind vom Fach und können außerdem die Zukunft aus der Glaskugel lesen. Doch jetzt wurden die fünf Weisen aus dem Wirtschaftsland überführt. Die 2,1 Millionen Euro, die sie pro Jahr kosten, könnte man auch für Lottospielen ausgeben, da wäre der Gewinn nach allen Wahrscheinlichkeitsrechnungen wohl höher. Die fünf Wirtschaftsweisen gibt es seit 1963 und seit 2001 haben diese Herren den Verlauf des Bruttoinlandsprodukts jedes Mal falsch vorhergesagt.

Wer sich seiner Sache nicht sicher ist, der befragt Fachleute. Wer seinen Mitarbeitern kündigen will, der beauftragt eine Unternehmensberatung. Und wer seine politischen Fehler vertuschen will, der hält sich einen Koalitionspartner, auf den man die Schuld abschieben kann. Eine besondere Aura bekommen allerdings die Leute, die als Weise für irgendetwas benannt werden oder sich selber so bezeichnen. Da sitzen dann in Talkshows Kenner herum, die so etwas von Ahnung haben, dass sie genau wissen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Zahlen werden aufgetischt, Umfragen, Statistiken, Prognosen und Berechnungen, die keiner wirklich durchschaut. „Da gibt es eine Untersuchung!“ ist bereits das Argument, bevor genau erklärt wird, was da eigentlich untersucht wurde.

Weisheit und nicht glauben

Da wäre es doch angebracht einmal zu fragen, was denn eigentlich weise sei. Die Weisen aus dem Wirtschaftsland zeichnen sich wohl weniger durch Weisheit aus als mehr durch Weismachen. Das bedeutete im Mittelalter ‚belehren, informieren‘, seit dem 16. Jahrhundert ist es dann auf solche Kenner wie die Weisen aus dem Wirtschaftsland abonniert: jemandem etwas vorspiegeln. Dass Weisheit etwas mit den Weisheitszähnen zu tun hat, dürfte auch ein Ammenmärchen sein. Weisheitszähne brechen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren durch, wenn der Mensch angeblich weise wird. Ein solch weiser Zahn wird vielen Menschen gezogen und die Weisheit ist hin. Man weiß also nicht, was weise so wirklich ist. Die Weisen aus dem Morgenland könnten die Richtung weisen. Die haben nicht nur geglaubt, dass sie in den Sternen etwas gesehen haben, die haben sich auch aufgemacht. Ihrem Glauben haben sie Taten folgen lassen.

Wer glaubt, dass er weise ist, ist nicht weise

Schon der alte Sokrates nahm für sich in Anspruch, dass er weiß, dass er nichts weiß. Ob das nun weise ist, weiß man nicht. Denn es ist recht vermessen, so etwas wie Sokrates zu behaupten. Wer weiß, dass er nichts weiß, weiß ja eine ganze Menge und das wissen zu wollen, ist ein wenig überheblich. Das hat den Sokrates nicht gestört, er hat mit seiner Ironie alle Einwände weggewischt und zum Beweis seines Wissens vom Nichtwissen hat er dann den Schierlingsbecher getrunken. Danach wusste er mehr, wenn es die Idee vom Wissen tatsächlich gibt. Andere Größen der Geistesgeschichte haben am Ende ihres irdischen Lebens erkannt, dass sie noch nicht einmal wissen, dass sie nichts wissen und haben ihre Schriften dem Feuer in die Obhut gegeben.

Weise wissen auch nicht weiter

Wahrscheinlich ist ein weiser Mensch jemand, der keinen Anspruch erhebt, Entwicklungen voraussagen zu können. In weiser Voraussicht besinnen sich Weise auf die Gegenwart und loten aus, was zu tun wäre, damit das, was jetzt schlecht läuft oder wo der Teufel im Detail sitzt, keinen großen Schaden anrichtet. In aller klugen Bescheidenheit achten diese Weisen auf Kleinigkeiten und nehmen für sich nicht in Anspruch, das Richtige zu tun. Und sie bestehen darauf, dass es nicht weise wäre, eine Tabelle mit Zahlen als Ersatz für das selbstkritische Nachdenken aus dem Methodenkoffer zu holen. Gelernt haben sie vor allem von der Geschichte der Weisen aus dem Morgenland. Wenn ein Herrscher ruft und Auskünfte haben will, dann braucht es Klugheit. Nur nicht sagen, was man wirklich weiß, denn das nutzt so ein Tyrann allein zu seinen Zwecken. Weise paktieren nicht mit der Politik, sie lassen sich nicht zu einem Gremium machen, sie setzen sich auf ihre Kamele und ziehen weiter.

<emphasize>Thomas Holtbernd</emphasize>



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