Postkarte Palast Dolmabahçe

Papst Franziskus und Kaiser Wilhelm am Bosporus

Wer die Reise des Papstes in die Türkei verfolgt, sieht vier Richtungen seines Wirkens. Franziskus verwandte sich dafür, Katholiken und Orthodoxe zu versöhnen, Christen des Ostens und Westens, wo das überreiche Erbe der orientalischen Kirchen zu fördern sei. Zudem wäre Armen zu helfen, ihre Menschenwürde zu verteidigen, so dass sie wieder zu Protagonisten ihrer eigenen Geschichte würden. Wie er Sonntag in der Istanbuler Liturgie betonte, würden viele in den Nachbarländern vom grausamen und unmenschlichen Krieg gezeichnet: „Den Frieden eines Volkes erschüttern, jegliche Art von Gewalt insbesondere an Schwachen und Wehrlosen zu begehen oder zu erlauben, ist eine sehr schwere Sünde gegen Gott.“ Schließlich wandte er sich der Jugend zu, unter denen viele entmutigt ohne Hoffnungen lebten: dagegen hielt er authentischen Humanismus in der Frohen Botschaft.

Wer die Reise des Papstes in die Türkei verfolgt, sieht vier Richtungen seines Wirkens. Franziskus verwandte sich dafür, Katholiken und Orthodoxe zu versöhnen, Christen des Ostens und Westens, wo das überreiche Erbe der orientalischen Kirchen zu fördern sei. Zudem wäre Armen zu helfen, ihre Menschenwürde zu verteidigen, so dass sie wieder zu Protagonisten ihrer eigenen Geschichte würden. Wie er Sonntag in der Istanbuler Liturgie betonte, würden viele in den Nachbarländern vom grausamen und unmenschlichen Krieg gezeichnet: „Den Frieden eines Volkes erschüttern, jegliche Art von Gewalt insbesondere an Schwachen und Wehrlosen zu begehen oder zu erlauben, ist eine sehr schwere Sünde gegen Gott.“ Schließlich wandte er sich der Jugend zu, unter denen viele entmutigt ohne Hoffnungen lebten: dagegen hielt er authentischen Humanismus in der Frohen Botschaft.

Dialogsprung

Das erhellt die Erklärung von Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus I., die beide Kirchenoberhäupter am Sonntag, den 30. November, in Istanbul unterschrieben. Sie sorgten sich um Menschen im Irak, in Syrien und in Nahost. Jene, die für das Geschick der Völker Verantwortung tragen, sollten ihren Einsatz verstärken und es den Verfolgten, einschließlich der Christen, ermöglichen, in ihrer Heimat zu bleiben. „Wir können uns nicht abfinden mit einem Nahen Osten ohne die Christen, die dort den Namen Jesu zweitausend Jahre lang bekannt haben.“ Das Schicksal der um ihres Glaubens willen Verfolgten stoße auf viel Gleichgültigkeit. Es gebe auch eine „Ökumene des Leidens“.

Papst und Patriarch wollen den konstruktiven Dialog mit dem Islam fördern, der sich auf gegenseitiger Achtung und auf Freundschaft gründe. Als Oberhäupter des Christentums forderten Franziskus und Bartholomäus alle religiösen Führer zu mehr Dialog auf und auch dazu, mehr für eine Kultur des Friedens und der Solidarität zu tun. Auf des Papstes Heimflug wollte es eine türkische Journalistin genauer wissen, was denn der Papst und Präsident Recep T. Erdoğan zu tun gedächten, der die Islamophobie im Westen ansprach.

Islamfeindlichkeit gebe es, reagierte er. Man darf nicht den Fehler machen, terroristische Akte auf den Islam als Religion zurück zu führen. Alle Religionen hätten diese Gruppen, nicht nur der Islam. Er habe Präsident Erdoğan gesagt, dass es gut wäre, wenn islamische Autoritäten – politische wie auch religiöse oder akademische – diese ganz klar verurteilen würden, denn es werde der Muslimmehrheit helfen, „Nein!“ zu sagen. Der Papst berührte auf dem Heimflug auch Christophobie: Christen würden aus Nahost vertrieben. Bestens unterhielt er sich mit dem Präsident des Religionsamts Mehmet Görmez. Aber der Dialog sei an ein Ende gelangt. Daher wäre ein qualitativer Sprung nötig. Dies könne geschehen, wenn sich Menschen über ihre religiösen Erfahrungen unterhielten, nicht über Theologie.

Fazit: Der Papst hielt sich zurück. Der Islamophobie hält er Christophobie entgegen, will jedoch Terror nicht am Islam als Religion festmachen. Radio Vatikan verlautete zu seiner Religionspolitik: er wünschte sich eine beherztere Verurteilung des „Islamischen Staats“ durch Islamvertreter weltweit und ebenso „gleiche Rechte und Pflichten“ für die nicht-muslimischen Staatsbürger wie christliche Minoritäten. Dies bringt noch mehr Fragen als Antworten: Hat Islam wenig mit Terror zu tun, wieso gibt es heute Globalkrieg gegen die Ideologie des Islamismus, wären jene beiden Phobien wirklich qualitativ gleichzusetzen?

Kaiserbesuch

Unter vielen Vorgängern, die wie Papst Franziskus an den Bosporus reisten, war Kaiser Wilhelm II., der eine Vorliebe für Mittelost hegte. Da die jüngste Papstreise in Details bekannt ist, erinnere ich an Kaiserbesuche. Das erste Mal kam der Monarch aus Athen – Kaiserschwester Sophie heiratete dort Kronprinzen Konstantin - mit dem Schiff Anfang November 1889 an den Landungsplatz des berühmten Sultan-Gartenpalasts Dolmabahçe.

Ebendort lief die Kaiserjacht „Hohenzollern“ Mitte Oktober 1898 aus Venedig ein. Nun stand auf dem Programm im Osmanenreich auch eine Reise ins Heilige Land. Dort traf der Kaiser zweimal Theodor Herzl, der ihn bat, Protektor eines jüdischen Palästinaheims zu werden. Zwar setzte er sich dafür beim Sultan ein, der dies ablehnte. Im Großen Krieg wies Wilhelm Botschafter und Konsuln an, projüdisch zu wirken, und zwar unabhängig von der Nationalität. Juden aus Feindstaaten wie Russland erging es schlecht, aber auch Deutschen. Er befolgte das Schutzgebot nach Verfassungsartikel 112-2, zumal viele der Juden Deutsche waren. Seither wandte sich der Monarch gegen die „scheußliche Hydra des Antisemitismus“ als er 1898 im Vormonat seiner Reise die jüdische Frage studierte.

Der Kaiser suchte Weltpolitik, Deutschland sollte Großmacht werden. Ihn sorgte es, dass seine europäischen Nachbarn in Mittelost Imperien schufen. Würde Europa zum Großen Krieg übergehen, bezögen sie von dort nicht nur Materialien, sondern auch Soldaten wie Inder für Briten oder Marokkaner für Franzosen. Dagegen setzte er Islampolitik, die ihn auf die Seite des Sultan-Kalifen treten ließ. Er gelobte daher 1898 öffentlich, fortan der Protektor von 300 Millionen Muslimen zu sein. Um die Pariser Vormacht im Heiligen Land zu schwächen, gab er ähnlich ein Gelübde für Christen, speziell für Katholiken ab.

Der Haken: er liierte sich als Christenregent zwar mit dem Sultan-Kalif und entwickelte die Taktik „der Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde“, der Muslime in Kolonien. Doch kannte er die Lage -1896 Massaker an Armeniern - von Minoritäten in Mittelost. Käme es zum Großen Krieg in Europa und agierte er mit seinen Mittelmächten auf der Seite des Kalifen, so würden Minderheiten, Christen wie Juden, riskant bedroht. Gibt es Drängen auf Reformen von außen, entrollt der Kalif die grüne Fahne, in Afrika und Asien ertöne es „Allah [ist groß]“, notierte Wilhelm 1908: „und mit den Christen ist es dann zu Ende“. So kam es. Obzwar Osmanen ihre Säuberungspläne im Reich hegten, bot ihnen Wilhelms Plan der islamistischen Revolten Rückendeckung. Im Kriegsfall half er ihnen - und schaute weg. Der armenische Genozid forderte bis zu 1,5 Millionen Tote, wie Kriegsminister Enver Pascha Anfang 1916 Gustav Stresemann in Istanbul darlegte.

Im Oktober 1917 reiste der Kaiser mit dem Zug von Berlin über Wien und Sofia nach Istanbul, zumal U-Boote aufkamen. Er traf dort den Scheich des Islam, der auf Drängen des Hohenzollern am 14. November 1914 den Jihad gegen die Alliierten ausrief. Der Kaiser besuchte auch Gallipoli (Foto), wo die Osmanen die Alliierten besiegten. Und er suchte im Ersten Weltkrieg einen zweiten Genozid zu verhindern, der in zwei Anläufen gegen Palästinas Juden begann und zehn Prozent dieser Minorität zerstörte. Ideologien dafür zeitigte die Moderne, seit 1894 in deutsch-osmanischer Achse, etwa Abd al-Malik Hamzas Theorie des Islamismus. Vor 100 Jahren sah Berlin all dies sehr klar. Mustafa Kemal löste dann 1924 das Kalifat auf und leitete die innere Abwehr von Islamisten ein.



Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang